Wieso man als Pantser einfach löschen muss …

Wieso man als Pantser einfach löschen muss …

… und was das überhaupt ist.

Tipps & Tricks beim Schreiben – für neue Autoren und Autorinnen

Jeden Sonntag gibt es auf Instagram unter dem Hashtag #autor_innensonntag ein vorgegebenes Thema zum Bereich Schreiben, in dem Autor:innen ihren Senf dazu geben können. So berichte auch ich regelmäßig über meine Tätigkeit, Probleme, und erzähle, wie ich damit umgebe. Schau gern auf www.instagram.com/katharinavhaderer vorbei, wenn du am Laufenden gehalten werden möchtest.

 

#autor_innensonntag: Hast du schon mal einen Text gelöscht oder neu geschrieben?

Über „Text löschen“ kann ich dir was erzählen. Ich habe in meinem Leben garantiert schon so viel Text aus meinen Manuskripten gezogen und in „rausgeschnitten“-Ordnern abgelegt, wie ich veröffentlicht habe. Mein Autorenfreund Michael M. Thurner kriegt da regelmäßig Zustände und neue graue Haare, wenn ich ihm davon erzähle, was erklären würde, warum seine Haartracht in prächtigem Silber schimmert.

Wie kommt es dazu?, fragst du dich vielleicht. Nun, Autor:innen gehen beim Plotten ihrer Texte ganz unterschiedlich vor. Das habe ich auch zuletzt wieder beim Schreibcamp gemerkt. Die beiden Extreme nennt man:

PLOTTER und PANTSER

PLOTTER sind die strukturierten Autor:innen. Bevor sie sich an einen Text heranwagen, wird er von vorne bis hinten durchgeplant. Da gibt es einen roten Faden, Akt-Strukturen, Charakter-Karten. Ein 300-seitiges Dokument über den Weltenbau, die Hintergrundgeschichten und die Stationen der Heldenreise. Die Kapitelanzahl steht bereits in einem Excel-Dokument fest, zusammen mit einem Szenenaufbau samt Inhalt, der 100 Seiten umfasst. Ich bewundere Plotter ungemein –

Leider gehöre ich nicht dazu.

 

Ich bin PANTSER. Ich versuche mir natürlich vorher einen roten Faden zurecht zu legen. Ich überlege mir ein mögliches Ende fürs Buch, weil wenn du dort ankommst und dann fällt dir nix Gutes ein, ist es echt beschissen (have been there). Ich habe die wichtigsten Charaktere und von denen ein ungefähres Bild sowie kritische Szenen, auf die ich mich so freue, dass ich am liebsten gleich in die Tasten hauen würde. Und da simma auch schon.

 

  1. ICH MUSS MICH SELBST NOCH ÜBERRASCHEN KÖNNEN.

Ich habe zu Hause ein komplett fertig geplottetes Manuskript – und es fühlt sich einfach schon geschrieben an. Deswegen hab ich überhaupt keinen Bock drauf. Ich will ja beim Schreiben was fühlen. Und nichts hab ich zur Schulzeit mehr gehasst als eine Nacherzählung oder eine Bildgeschichte zu schreiben.

 

  1. DAS BUCH ENTWICKELT SICH ERST DURCH DIE DETAILLIERTE SCHREIBARBEIT

Ich habe zu Beginn zwar ein ungefähres Bild meiner Charaktere, aber genau wie im wirklichen Leben muss ich sie erst kennenlernen. Manchmal gebe ich ihnen Charaktereigenschaften, die sich später als falsch herausstellen. So wie man jemanden im richtigen Leben falsch einschätzt. Erst nach und nach bekomme ich ein Gefühl dafür, wer mir da eigentlich gegenübersteht. Da sind wir aber auch schon beim Problem: Gelegentlich muss man dann zurückgehen und Szenen überarbeiten, in denen man die Charaktere noch nicht so im Griff hatte, weil sie sich nicht „richtig“ verhalten.

 

  1. VON SZENE ZU SZENE HANGELN

Ich plotte meist die nächsten Kapitel grob durch. Und dann passiert aber noch ganz viel beim Schreiben selbst. Dieser verdammte Stift, den der Charakter gebrauch that, um seine Telefonnummer auf ein Taschentuch zu schreiben, wird plötzlich zum essenziellen Key-Objekt. Er knackt damit ein Türschloss, schießt ihn jemanden ins Auge und findet in seiner zerbrochenen Hülle eine Geheimnachricht seiner Ur-Oma.
Wenn sowas passiert, muss natürlich der weitere Handlungsverlauf angepasst werden.

 

  1. INTUITIVES SCHREIBEN

Ich wär ja gern strukturierter, in meinem gesamten Leben. Aber ich bin’s halt nicht. Beim Schreiben passiert bei mir viel intuitiv. Ich tippe zwar die nächsten Szenen herunter, wie ich sie geplant habe – aber irgendwas passt nicht. Das nagt so lange an mir, bis ich das Problem gefunden habe. Ich muss das Gefühl einem Grund zuordnen – und das dauert manchmal. Das kann sowas sein wie „zu langweilig“, „Charaktere verhalten sich nicht passend“ oder schlichtweg „Überforderung“, weil ich wieder mal zu viele Story-Arcs angerissen habe. Da hilft es oft, betroffene Kapitel rauszuschneiden, für das gute Gewissen in eine separate Datei zu ziehen, die man nie wieder ansieht, und mit einem frischen Ansatz neu zu schreiben.

 

  1. ALTE MANUSKRIPTE – aber es wär doch so schön …!

Passenderweise mach ich ja gerade genau das – ein altes Manuskript neu aufarbeiten. Allerdings schreibe ich es weite Strecken neu. NA GEH!, denkst du dir vielleicht. WIESO?!

Ganz einfach – ich hab die Erfahrung gemacht, dass das überdoktorn eines alten Manuskripts meist nur ein Frankensteinmonster erschafft. Erstens mal kennt man sich selbst nimmer aus, was man jetzt schon erzählt hat und was nicht. Zweitens wirken die Übergänge grob geflickt und irgendwie unnatürlich. Drittens ist man nicht mehr der Mensch vor ein paar Jahren und würde Dinge heute anders machen. Das Umschreiben wird damit zu einem ewigen Kreislauf, als würde man ein altes Kinderbild nach heutigem Niveau nachzeichnen, anstatt es einfach mit dem heutigen Wissensstand neu zu machen.

 

  1. ABER DAS IST DOCH TOTAL VIEL (DOPPEL)ARBEIT …

Ja, das ist es. Aber das ist halt das Los des Pantsers. Man stürzt sich gleich voll Motivation in den Text – und nicht immer führt der Pfad im wilden Wald genau dorthin, wo du willst. Da hättest du dir schon vorher eine Stadt plotten müssen.

 

  1. BIN ICH ALS PLOTTER VOR ALLEN GEFAHREN GESCHÜTZT?

Nein. Sagte mir zumindest Norbert Ruhrhofer am Schreibcamp. Denn wenn man mittendrin auf einen Fehler draufkommt, kann man die restliche Planung kübeln, so gut sie auch war.

 

  1. WOHER WEISS ICH, OB ICH PLOTTER ODER PANTSER BIN?

Das merkst du. Natürlich ist da auch Raum dazwischen. Probiere Plotten einfach für dich aus. Du wirst schon sehen, ob es dir liegt.

UND WAS PASSIERT MIT DEM GANZEN RAUSGESCHNITTENEN TEXT?

Der existiert jenseits von Raum und Zeit auf meinem Laptop. Und manche Ausschnitte lass ich meine Patreons lesen.

 

Alles Liebe,
Katharina