Die Beginnerfalle – oder: Das 3-Jahres-Loch
DIE BEGINNERFALLE – oder: Das 3-Jahres-Loch
Das eigentliche Thema des heutigen #autor_innensonntag s ist Bookstagram vs. Booktok, aber dazu habe ich nicht so viel zu sagen, außer dass ich auf Tiktok unter selbigem Namen zu finden bin. Stattdessen möchte ich mich einem Thema widmen, das für Schreibende am Anfang ihrer Veröffentlichungskarriere wichtig sein könnte.
Ich nenne es jetzt mal „Die Beginnerfalle“. Es ist etwas, in das ich und einige Kolleg:innen getappt sind; und ganz lässt es sich nicht vermeiden – aber man kann sicher anders damit umgehen, wenn man es kommen sieht.
WENN DAS ERSTE BUCH RAUS KOMMT
erlebt man ein High. ENDLICH geschafft! Dann trudeln die ersten Feedbacks ein, die ersten Sterne, und endlich passiert, was man sich immer gewünscht hat – Fremde abseits von gequälten Freunden und Familienmitgliedern lesen die eigenen Texte und manche LIEBEN sie sogar. Das macht süchtig. Ganz ehrlich, wenn dieser Kick nicht wäre, vermutlich wäre bis auf die Bibel überhaupt kein Buch raus gekommen.
UND WIE IST DAS SO BEI EINEM KICK?
Man will mehr.
Meistens gibt’s da sowas, das nennt sich Backlist. Heißt, das veröffentlichte Buch ist nicht das erste, das man geschrieben hat. Aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen ist es aber das erste Buch, das man veröffentlicht hat. (So unerfindlich sind sie meistens gar nicht – schreiben ist Handwerk, und sehr wahrscheinlich war es DAS Werk, das sich als erstes richtig gut zur Veröffentlichung geeignet hat.
ALSO KANN MAN’S GAR NICHT MEHR LÄNGER ABWARTEN
– und man haut aus der Backlist raus. Schreibt neben dem noch motiviert weiter. Und so gelingt einem ein engmaschiger Veröffentlichungsrhythmus. Hach, so viele Glückshormone! Die alten Schinken kommen oft etwas schlechter an, aber das tut keinen Abbruch. Aber dann …
IST DIE BACKLIST AUFGEBRAUCHT.
Und plötzlich kann man den engen Veröffentlichungsrhythmus, den man Leser:innen, Verlagen und auch sich selbst vorgegaukelt hat, nicht länger einhalten. Und man fällt ins Loch.
ICH NENNE ES JETZT MAL DAS 3-JAHRES LOCH.
Es können natürlich auch 2 sein oder ein anderes, je nach Kapazitäten. Also versucht man dieses Loch auszugleichen und arbeitet und arbeitet und struggelt und greift alte Ideen auf – aber irgendwie fühlt sich das Schreiben nicht mehr so an wie früher, es wird zäher und härter und man will doch so gern … aaaaargh!
UND PLÖTZLICH GEHT GAR NIX MEHR.
Man ist enttäuscht von sich selbst. Und weil die Mitbewerber groß sind und die Buchbranche manchmal ungnädig, sieht man, wie all die leuchtenden Regenbogeneinhörner auf Social Media an einem vorbeiziehen (dabei struggeln die hinter den Fassaden genauso) und fühlt sich ganz klein.
WAS GEGEN DAS 3-JAHRES-LOCH TUN?
- BEWUSST MACHEN. Wenn ich Bücher in meiner Backlist habe – sind sie wirklich veröffentlichungswert, oder mache ich es nur für den Kick?
- MIT SICH SELBST EHRLICH SEIN. Welcher Veröffentlichtungsrhythmus ist für mich tatsächlich realistisch? Wie kann ich mir meine Kreativität bewahren? Was ist für mich im Rahmen des Möglichen, ohne dass ich mich zwischen Alltag, Bürojob und Schreiben zerreiße?
- FUN FACT: Nur weil man sich ganz aufs Schreiben konzentrieren kann, heißt das nicht, dass man notwendig mehr Bücher raus bringt! Vom Schreiben abhängig zu sein bringt mindestens genauso viel Struggle mit sich – kein Urlaubsgeld, kein Krankenstand, lange Wartezeiten … Meine dichtesten Veröffentlichungsrhythmen hatte ich während ich angestellt und finanziell abgesichert war.
- SPASS BEHALTEN. Wenn man nur noch um des Veröffentlichen Willens schreibt, nimmt der Spaß am Schreiben automatisch ab. Ironischerweise leidet darunter auch oft der Output. Weil: Wenn der Text Spaß macht, dann fließt er schneller aus den Fingern in die Tasten.
- REALISTISCH BLEIBEN. Wie lange kann ich dieses Arbeitspensum ertragen? Ja, vielleicht 1, 2, vielleicht sogar 3-4 Jahre. Aber komme ich dann ins Burnout?
WICHTIG IST ES …
… für dich einen realistischen Takt von Schreiben und Veröffentlichen zu finden. Auch wenn der Druck von außen immens sein kann, lass dich nicht in die Burn-Out-Falle drängen. Denn wenn erst mal gar nix mehr geht, geht für 2 Jahre gar nix mehr. Glaub mir, ich war dort!
Ich hoffe, ich konnte dir mit meiner etwas harten – aber ich denke doch, realistischen – Sicht auf meine Vergangenheit einen interessanten Einblick gewähren – und vielleicht den Einen oder Anderen vor denselben Fehlern bewahren.
Alles Liebe,
Katharina